# 9 Blogpost: Die individuelle Hochsensibilität & typische EIGENSCHAFTEN hochsensibler Kinder

Hochsensible Kinder verstehen

 

Ca. 20 % der Menschheit ist hochsensibel, das ist in etwa jede 5. Person. Studien belegen, dass im Gehirn von Hochsensiblen manche Bereiche, die Sinnesinformationen verarbeiten, aktiver sind als bei anderen Menschen. Ich möchte erwähnen, dass Hochsensibilität ein Persönlichkeitsmerkmal ist, eine Veranlagung, die meist vererbt wird und keine Krankheit darstellt. Es gibt keine Diagnose und meiner Meinung nach ist die Veranlagung nicht nur mit Schwierigkeiten und Problemen behaftet, sondern birgt viel mehr ein riesiges Potential in sich, eine Gabe, ein Geschenk für unsere Gesellschaft.

 

Wir brauchen Menschen, die durch ihre Empathiefähigkeit für ihre Mitmenschen vertrauensvolle Beziehungen knüpfen, viel Verständnis, Herzblut, Leidenschaft und Energie mitbringen, ihre „Andersartigkeit“ leben und ihre Talente in der Gemeinschaft zum Ausdruck bringen.

 

Wenn Kinder lernen mit ihrer Hochsensibilität richtig umzugehen, ihre Bedürfnisse wahrnehmen und ausdrücken können, Grenzen wahren und auf ausreichend Ruhe und Entspannung achten, werden sie zu gesunden großartigen Menschen heranwachsen, die ihr volles Potential entfalten und leben.

 

Hochsensible Kinder nehmen die Welt mit ALLEN (oder zumindest mit mehreren) Sinnen besonders intensiv wahr, ohne Filter sozusagen. Diese intensive Wahrnehmung kommt:

  • Sowohl von innen als auch von außen

Sie haben keine „Schutzfunktion“ und dies führt:

  • Einerseits zu Stimulation andererseits zu Über-Stimulation
  • Einerseits zu Reizen andererseits zu Über-Reizung

Bevor ich nun einen Überblick über typische Eigenschaften hochsensibler Kinder gebe und näher darauf eingehe, möchte ich noch kurz den Unterschied zwischen introvertiert und extrovertiert erläutern.

 

Diese Wesensarten beschreiben den Zustand, wie Menschen mit ihrer Umwelt und ihrem Umfeld interagieren und ihre Energiespeicher auffüllen. Introversion beschreibt eine nach innen gewandte, Extraversion eine nach außen gewandte Haltung.

  • Introvertierte Kinder: Können gut allein mit sich sein und fühlen sich in einer ruhigen Umgebung wohl. Sie ziehen sich zurück, um ihre Erfahrungen im Innen zu verarbeiten und wieder Energie zu tanken. (Dies hat nichts mit Schüchternheit zu tun.)
  • Extrovertierte Kinder: Suchen aktiv den Kontakt und fühlen sich in Gruppen wohl. Sie brauchen den Austausch mit anderen, um ihr Erlebtes zu verarbeiten und ihre Speicher wieder aufzufüllen.

Ein grober Überblick typischer Eigenschaften hochsensibler Kinder:

a) Sensibel & emotional

b) Empathisch

c) Nachdenklich & tiefsinnig

d) Reizoffen

e) Ehrgeizig & ausdauernd

f)  Impulsiv & energiegeladen

g) Schüchtern & in sich gekehrt

h) Strukturiert & routiniert

i)  Selbstbestimmt & freiheitsliebend

j)  Kreativ

 

a) Sensibel & emotional:

Hochsensible Kinder reagieren überdurchschnittlich sensibel auf Sinneseindrücke. Sie nehmen jegliche Sinnesreize/Eindrücke, sowohl von innen als auch von außen, besonders stark wahr.

  • Im Außen:

Die Basissinne wie sehen, hören, riechen, schmecken und der Tastsinn sind meist ganz stark ausgeprägt oder zumindest mehrere verstärkt. Das kann sowohl angenehm als auch unangenehm sein.

Unerwartete Geräusche (Fön), Gerüche (Parfum, Schweiß etc.) oder Geschmäcker können Kinder leicht aus der Ruhe bringen.

 

Typisch schon für hochsensible Babies ist z.B. der unruhige Schlaf, da sie beim kleinster Mukser (z.B. Räusper der Mutter) wieder aufwachen.

 

Eine taktile Überempfindlichkeit kann sich durch Rötungen, Hautauschläge und Berührungsempfindlichkeit (lassen sich nicht gerne anfassen und fassen selbst zb. nicht gerne Sand an) zeigen oder Kleidung auf der Haut (z.B. ein Makerl, Knopf, Sockennaht oder Wollpulli) kann jedes Mal zur Tortour beim An- und Ausziehen kommen. Reaktionen wie hauen, kratzen, beißen sind hier üblich.

  • Im Innen:

Der Gleichgewichtssinn, Stellungssinn (Tiefensensibilität und Eigenwahrnehmung) entsteht durch Reize, die im eigenen Körper (z.B. durch Bewegung) entstehen. Das Kind kann so die Grenze des eigenen Körpers erfassen und so eine Vorstellung über seinen eigenen Körper und die Wahrnehmung entwickeln.

So wie das Fühlen im Außen, wird auch das Fühlen im Inneren von hochsensiblen Kindern ganz stark wahrgenommen. Sie erleben ihre Gefühle intensiv und impulsiv, das durch Lachen, Brüllen, Kreischen, Schreien etc. voll zum Ausdruck gebracht werden möchte.

 

Diese intensive Gefühlswahrnehmung zeigt sich schon recht früh im Babyalter. Wenn kleine Kinder z.B. hungrig sind, dann schmatzen sie nicht nur, sondern schreien von einer Sekunde auf die andere sofort heftig los. Sie wimmern eher selten, sondern schreien sich regelrecht oft stundenlang die Seele aus dem Leib.

 

Sie können sich schwer entspannen, suchen intensiven Körperkontakt und haben Angst vorm allein gelassen werden. Sie können kaum weggelegt werden, lieben das Tragetuch und Gemeinschaftsbett, Kinderwagenausfahrten sind nur in Ausnahmefällen möglich.

 

Dies zieht sich auch beim älter werden fort… Anziehen, Windelwechseln, Waschen, Zähneputzen etc. kann jedes Mal erneut emotional heftig enden. Kleinigkeiten können das Kind total aus der Fassung bringen und in einem riesen Drama ausarten (zB. Der falsche Pyjama, wenn das Brot nicht so geschnitten ist, wie es sich das Kind vorstellt bzw. gewohnt ist, das „falsche“ Glas oder Teller am Tisch etc.)

 

Man könnte denken das sei doch ganz normal. Jedes Kind hat Wutanfälle, ist mal trotzig oder schlecht gelaunt. Doch die Reaktion eines hochsensiblen impulsiven Kindes auf eine Überreizung ist in etwa vergleichbar mit einem Gummiball, der JEDES Mal bis an die Decke springt. So geht jede Emotion ganz tief in Mark und Bein, manchmal sogar bis hin zur totalen Erschöpfung. Solche Wutanfälle sind oft für das Umfeld unerträglich, da das Kind kaum noch ansprechbar ist und sich nicht mehr beruhigen lässt.

 

Genau das Gegenteil kann jedoch auch der Fall sein, dass sich ein Kind in herausfordernden Situationen plötzlich vollkommen zurückzieht und in sich kehrt, um diese Gefühle mit sich selbst auszumachen.

 

In solchen Situationen muss man besonders achtsam sein und das Kind als Erwachsener beschützen. Das wichtigste ist den Erregungszustand des Kindes zu begleiten, bis es selbst dazu in der Lage ist.  Denn durch die Regulierung von außen lernt das Kind seine Fähigkeit zur Selbstregulierung.

 

b) Empathisch:

Nicht nur die eigenen Gefühle überkommen hochsensible Kinder regelrecht, sie haben auch ganz feine Antennen für Emotionen anderer (Erwachsener oder Kinder) im Raum.

 

Unbewusste Gefühle von unterdrückter Wut, Ärger, Trauer oder Ängstlichkeit und Unsicherheit werden prompt gespiegelt und von den Kindern ausgelebt.

 

Positive Gefühle von überschwänglicher Freude und Liebe vom Außen, kann für ein hochsensibles Kind wiederum richtig unangenehm oder erdrückend sein.

 

Für das Gegenüber ist es oft schwer nachvollziehbar, was in solchen Momenten mit dem Kind los ist, wenn sie diese/ihre Emotionen selbst gar nicht so wahrnehmen.

 

c) Nachdenklich und tiefsinnig:

Hochsensible Kinder sind nicht nur sehr emotional und empathisch, sie machen sich auch generell viel mehr und intensivere Gedanken über „Gott und die Welt“. Sie stellen viele Fragen, wollen alles wissen, hinterfragen Dinge und Situationen bis ins kleinste Detail.

 

Was besonders auffällig ist, dass sie noch lange später, manchmal Wochen oder sogar Monate über Vergangenes und Erlebtes nachgrübeln.

 

Das ist einerseits ein langer Verarbeitungsprozess, andererseits sind sie stets an Lösungen interessiert und suchen nach Verbindungen/Verknüpfungen oder sogar Verbesserungspotential.

 

d) Reizoffen:

Einem hochsensiblen Kind bleibt generell nichts unbemerkt. Subtile Reize und Feinheiten, die anderen verborgen bleiben, fallen ihnen sofort auf. Auch wenn es im ersten Moment nicht geäußert bzw. ausgesprochen wird, es wird vom Kind wahrgenommen und abgespeichert.

 

Durch diese rasche Auffassungsgabe bemerken sie jede kleine Veränderung, werden dadurch aber auch leicht abgelenkt.

 

Wie bereits unter Punkt a) beschrieben, können diese vielen Sinneseindrücke aufgrund der Flut an Informationen zur Überreizung des Kindes führen.

 

Im Alltag werden so einfache Aufforderung im Tun schnell überhört oder sind schwer umzusetzen, da sie auf dem Weg dorthin (z.B. Bring mir bitte das Buch vom Wohnzimmertisch) wiederum die unterschiedlichsten Dinge bemerken, die sie erneut von ihrem Vorhaben aufhalten, weil diese wiederum zu entdecken sind.

 

e) Ehrgeizig & ausdauernd:

Daran erkennt man, wie ehrgeizig und ausdauernd hochsensible Kinder ihren Alltag bewältigen.

Wenn das Kind etwas angesteuert hat, lässt es sich nicht davon abbringen. Es versucht vehement an sein Ziel zu kommen, ohne sich ablenken zu lassen.

 

Bekommt es wiederum nicht, was es sich gerade in den Kopf gesetzt hat, dann schreit und tobt es mit langer Ausdauer! Dies hat weniger mit Sturheit zu tun, sie haben sich ein Ziel vor Augen gesetzt, dass sie unbedingt erreichen wollen.

 

f) Impulsiv & energiegeladen:

Viele hochsensible Kinder strotzen nur so vor Kraft und Energie. Man hat das Gefühl sie geben immer volle Power, sind rastlos, oft sogar wild und kommen nie zur Ruhe. Neben dem Bewegungsbedürfnis kommt hier auch erneut die Entschlossenheit dazu, mit der sie ihre Ziele verfolgen. Wenn sie einen Vorsatz gefasst haben, mobilisieren sie solche Energien, es immer und immer wieder zu probieren.

 

Sie haben einen immensen Bewegungsdrang, und wenn sie sich nicht genügend auspowern konnten, werden sie hibbelig und unruhig. Am Mittagstisch wird dann am Sessel hin und her gewackelt, die Hände wollen beim ruhig sitzen ständig beschäftigt werden oder irgendetwas wird in den Mund gesteckt.

 

Das Bewegen hilft ihnen wiederum sich überhaupt auf bestimmte Dinge „in Ruhe“ konzentrieren zu können.

Vorsicht: Diese Energie wird manchmal auch mit Wut verwechselt (dazu ein anderes Mal mehr) 😉

 

g) Schüchtern & in sich gekehrt:

Genau das Gegenteil kann wiederum der Fall sein, dass hochsensible Kinder schüchtern und in sich gekehrt sind oder wirken. Dies macht jedoch meist einfach nach außen hin diesen Anschein.

 

Die scheinbare „Schüchternheit“ ist eher ein Zeichen für eine gute Menschenkenntnis eines Kindes. Das Kind weiß ganz genau, was es will oder nicht will. Und es möchte herausfinden, ob sein Gefühl richtig eingeordnet werden darf. Es wägt zuerst aus der Distanz ab, mit wem es hier zu tun hat. Es will sich vergewissern, ob sein Gespür für seine merkliche Sympathie oder Antipathie berechtigt ist. Darauf soll unbedingt Rücksicht genommen werden. Das Kind keinesfalls zu einer Handlung drängen!

 

Aufgrund der unzähligen Sinneseindrücke ist ein hochsensibles reizoffenes Kind, wie bereits erwähnt, schnell mit der Welt um sich herum überfordert und das in sich Kehren ist ein intuitiver automatischer Schutzmechanismus vor noch mehr Reizüberflutung. Das in sich zurück ziehen kann auch eine Reaktion sein, um allgemein unangenehme Situationen mit anderen Menschen zu vermeiden!

 

Oft hört man von verträumten Kindern, die in ihrer Welt und kaum ansprechbar sind. Wenn man bedenkt, welche Flut an Eindrücken ununterbrochen auf ein hochsensibles Kind einprasselt, die es zu sortieren gilt, ist es gut nachvollziehbar, dass es schwierig ist sich auf bestimmte Dinge zu fokussieren.

 

h) Strukturiert & routiniert

Routinen sind sowohl für kleine Kinder, ganz besonders aber für hochsensible essentiell und lassen den Alltag für die ganze Familie vereinfachen.

 

Wenn vertraute Routinen plötzlich geändert werden, kann dies schnell zur Überforderung führen. Aufgrund der hohen Auffassungsgabe und dem überwältigenden Gefühlswirrwarr, geben klare berechenbare Strukturen den Kindern ein Gefühl von Halt und Schutz.

 

Ein unstrukturierter, voller Tagesablauf mit vielen Menschen, erhöhtem Geräuschpegel und unzähligen Sinneseindrücken, lässt den Kopf und das Innenleben eines hochsensiblen Kindes beinahe explodieren. Es folgen meist heftige Wutanfälle, Aggressionen und provozierendes Verhalten als Ausdruck für die Überforderung. Trotz Müdigkeit ist es in solchen Situationen unmöglich „runter“ und zur Ruhe zu kommen.

 

Eine Veränderung im außen, z.B. des Wohnortes, Kindergartenwechsel oder auch äußerliche Erscheinungen, wie z.B. eine neue Frisur von Mama oder eine Bartrasur von Papa, kann eine derartige Katastrophe für ein hochsensibles Kind bedeuten.

 

Wechsel und neue Situationen sollten daher immer rechtzeitig und mit viel Einfühlungsvermögen angekündigt werden, damit das Kind ausreichend Zeit hat, um sich auf die Veränderung einzustellen.

 

i) Selbstbestimmt & freiheitsliebend

Während sich viele hochsensible Kinder dankbar an Routinen und Strukturen orientieren, gibt es wiederum einige, die auf Selbstbestimmtheit beharren. Fixe Morgenroutinen oder Schlafenszeiten sind kaum zu planen oder einzuhalten. Sie wollen immer und überall ein Mitspracherecht und fordern Gleichberechtigung und Entscheidungsfreiheit. Wenn ihnen dies ermöglicht wird, sind sie bereit zu kooperieren.

 

j) Kreativ

Aufgrund des reichhaltigen Innenlebens bringen hochsensible Kinder oft ein hohes kreatives Potential mit. Sie haben eine sehr ausgeprägte Phantasie und gute Vorstellungskraft, sprudeln vor Ideen, schlüpfen gerne in unterschiedliche Rollen, malen die kreativsten Werke, singen und musizieren oder üben handwerklich ihr Geschick aus.

 

Damit unsere hochsensiblen Kinder nun ihr volles Potential entfalten können, benötigen sie dringend ausreichend Pausen, um all die aufgenommenen Informationen zu verarbeiten. Das Gewähren und Wahren der eigenen Grenzen bedarf viel Einfühlungsvermögen und Begleitung der Erwachsenen. Doch durch eine frühzeitige und konsequente Umsetzung wird das Kind lernen auf seine eigenen Bedürfnisse zu achten und darf seine Sensibilität als Stärke und Bereicherung auf seinem weiteren Lebensweg einsetzen.

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