Menschsein ist kinderleicht - Der sanftmütige Gärtner

"Jedes Kind ist ein Mensch und es ist die Aufgabe der Erwachsenen, dieses so zu begleiten, damit es auch als Mensch groß und erwachsen werden kann. Es braucht Rückgrat, Mut und Sanftheit, um das Kind als sanftmütiger Gärtner wachsam in seine Freiheit zu führen." meint Natalie Pertlwieser.

 

In ihrem Buch "Der Liebe begegnen"  hat sie dem Thema Kinder ein ganzes Kapitel geschenkt.

 

Hier folgt ein Text daraus: Der sanftmütige Gärtner

 

Der sanftmütige Gärtner begleitet seine Jungpflanzen mit all seiner Liebe. Er pflegt sie mit seinem wachen Geist und fröhlichem Herzen. Er nimmt sich immer die Zeit um sie genau zu betrachten und um sie zu beobachten. Solch ein Gärtner will seine Jungen in all ihrer Präsenz kennenlernen und schenkt ihnen das Gefühl von nie endender Geborgenheit. Kommt ein Sturm auf, so bedeckt er sie mit seinem Vertrauen in das Leben. Wenn sich die dunklen Wolken wieder lichten, macht er einen guten Schritt zur Seite, damit sie erneut genug Raum zum Atmen und Wachsen haben.

Wenn der liebende Gärtner seine Pflanzen berührt tut er dies stets mit einer ruhigen Hand. Mit großer Bewusstheit entfernt er vertrocknete Blätter und alles was seinen Sprösslingen nicht mehr dienlich ist. Nie würde er wild an ihnen zupfen oder gar reißen.

Der sanftmütige Gärtner erwartet von all seinen empfangenen Samen nichts und freut sich dennoch über jede Blütenpracht, die aus ihnen hervorgeht. Und wenn eine Pflanze für ein oder mehrere Jahre keine einzige Blüte zeigen will, so akzeptiert er das und lässt sie einfach gut sein. Doch nicht bei allem sieht dieser Gärtner seinen Pflänzchen zu. Nimmt zum Beispiel ein Trieb dem anderen zu viel Sonne oder schlängelt sich ein Sprössling bedrängend um eine andere Pflanze, so setzt er in Liebe Grenzen, um das Gleichgewicht zu wahren.

Ein echter Gärtner wählt die Worte, die er an seine Jungen richtet immer mit Bedacht. Im Zweifelsfall schweigt er. Denn er weiß dass die ehrliche Aufmerksamkeit den Wert von tausend gesprochenen Worten übersteigt.

Ja solch ein Gärtner gärtnert mit all seiner Hingabe, ohne seinen Garten je besitzen zu wollen. Ganz im Gegenteil. Je mehr er liebt, desto mehr lässt er los, bis seine Saat in völliger Selbstständigkeit ihre Freiheit erlangt hat.

 

Fotografie: Erwin Pils

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